Jeschua ben Josef, der Nazarener

Fortsetzung V

Ich liebte Petrus, aber am meisten liebte ich Jakobus, den Jüngeren, den Halbbruder Jesu. Es gab zwei Jünger mit dem Namen Jakobus, aber Jakobus, der Jüngere, stach von allen am meisten hervor. Er war ein Eingeweihter vierten Grades und ist jetzt der Meister Amiel, ein Meister der Heilung. Er erlitt als Erster den Märtyrertod, gefolgt von Andreas und später von Petrus. Ein anderer Jünger, den ich sehr gerne mochte, war Bartholomäus. Er war ausgesprochen kräftig, rau, stark und sehr männlich. Seine Erfahrung mit Christus mäßigte ihn.Thomas, dem Zweifler, fiel es schwer, den mystischen Aspekt des Amtes Jesu zu akzeptieren. Er zweifelte von Anfang an, aber er gab niemals auf. Als er schließlich die Wundmale an den Händen Christi fühlte, wusste er, dass dies der Messias war, und rief aus: „Mein Herr und mein Gott!“

Stephan war der Jüngste. Er war ein Apostel – und er war mein Liebling. Er kam wohl aus dem Engelbereich, denn er besaß diese Fröhlichkeit, dieses Licht und diesen unbesiegbaren Geist, den niemand zu brechen vermag. Stephan stand Jesus sehr nahe. Es gab eine Gruppe von siebzig Aposteln, die in den inneren Lehren unterwiesen wurden. Maria und einige andere fortgeschrittene Frauen gehörten dazu. Wir liebten die Zeiten, in denen Jesus das Haus von Marias Onkel Jairus besuchte, der einen großen Weinberg besaß.

 

Dort, in dem weiträumigen Hof, pflegte Jesus zu den siebzig zu sprechen, die sich vor ihm niedergelassen hatten. Ruhig hörte er sich ihre Fragen an und beantwortete sie. Manchmal brachte er sie zum Lachen. Jesus sprach über die herrlichen Wirklichkeiten und die wunderbaren Erfahrungen, die sich im Laufe unserer Entwicklung einstellen würden und die wir alle ja anstrebten.Er lehrte uns, dass der Mensch auf die Erde kommen müsse, um seine verborgene Göttlichkeit zu verwirklichen. Sobald diese beginnt, sich zum Ausdruck zu bringen und Blütenblatt um Blütenblatt zu entfalten, machen sich die höheren Kräfte des Menschen bemerkbar, lassen ihn seine Möglichkeiten erkennen und dasselbe Bewusstsein und die freudige Einstimmung berühren, welche die Meister kennen, die Gott lieben. Er hob hervor, dass sich unter jenen, die die innere Gruppe seiner Anhänger bildeten, noch Individuen aus anderen Reichen befanden und bezog sich auf das Engelreich, als er sagte:

 

„Ich habe noch andere Schafe, die nicht zu dieser Herde gehören.“

 

Wenn der Mensch Gott am meisten liebt und es ihn aufrichtig danach verlangt, jene höheren Fähigkeiten zu entwickeln, wird er diese strahlenden Boten des Alls wahrnehmen, was seine eigene Entwicklung beschleunigt. Die durch seine Gegenwart inspirierten Jünger und Apostel erkannten immer noch nicht, wer er war. Die Kreuzigung und Auferstehung Christi beeindruckte sie zutiefst. Erst nach diesem entscheidenden Ereignis, das den Herrn ihrem irdischen Blick entzog, wussten sie es. Sie vermochten sich auf ihn einzuschwingen und erkannten, dass in den inneren Welten ein völlig neues Licht erstrahlte, denn wieder war es einem Boten Gottes gelungen, dem Feind nicht nachzugeben. Er hatte sich als wahrhaftig erwiesen, obwohl sein physischer Körper vernichtet worden war. Ich kann aus meiner eigenen Rückerinnerung bezeugen, dass er zurückkam und seinen Körper nochmals benutzte. Er war Herr über Leben und Tod. Nachdem Jesus seine Jünger verlassen hatte, schlossen sich mindestens siebzig seiner Anhänger zusammen und wiederholten die Dinge aus dem Gedächtnis, die der erhabene Gottesbote ihnen offenbart hatte. Selbst bei diesen Zusammenkünften wurden einige von ihnen belehrt und versanken in tiefe Meditation.

 

Ein einzelner Geist glich einem entflammten Reisigbündel und wirkte für die Gruppe als „Sprachrohr“, um die durch den Christus – Geist offenbarte Botschaft weiter zu leiten.

 

Die seit Jahrhunderten überlieferte Botschaft Jesu stammte zunächst nur von vier Jüngern – Johannes, Jakobus, Petrus und Matthäus. Paulus übte später einen starken Einfluss auf die Menschen aus. Er war eng befreundet mit dem Arzt Lukas. Auf Grund dieser Freundschaft sammelte Lukas die Berichte von Leuten, die ihre persönlichen Eindrücke über Jesus erzählten. Auf diese Weise entstand sein Evangelium. Markus, den Neffen von Barnabas, beeindruckten die Lebensweise seines Onkels und die Berichte über jene große Seele so stark, dass er ebenfalls die Christen befragte und ihre Eindrücke zusammentrug, die uns in der Bibel überliefert wurden.