Jeschua ben Josef, der Nazarener

Fortsetzung VI

Die Lehre Christi

Christus war ein tiefsinniger Lehrer. Wenn er sprach, hatte man das Gefühl, im Dunkeln gewesen zu sein, als das Sonnenlicht den Geist plötzlich erleuchtete und den vor einem liegenden Weg strahlend und verheißungsvoll erhellte. In seinem Alltag war Jesus kein Mann vieler Worte. Er sprach kein unnützes Wort und gab sich auch nicht geistreich, um die Leute zu unterhalten. Er wählte seine Worte sehr sorgfältig.

Schweigend forschte er in den Herzen seiner Zuhörer. Als er erkannte, was die Menge insgesamt und jeder für sich dachte, wusste er, welche konkrete Form seine Botschaft an die Menschen annehmen musste, denn er hatte spirituell vieles zu offenbaren. Obwohl tiefgründig, waren die Lehren Jesu einfach und direkt. Es handelte sich nicht um theoretische Gedankengebäude, sondern um eindrucksvolle, klare Aussagen, die das Leben betrafen, wie er es wahrnahm. Jede Botschaft enthielt die Aufforderung: „Gehet hin und tut desgleichen.“ Er überschätzte die Kräfte der Leute nicht, aber er forderte sie heraus, die Mühe und Notwendigkeit zu erkennen, dem Leben Ausdruck zu verleihen.

 

Die Nacht, bevor er zu den Mengen sprach, verbrachte er im Gebet. Man stelle sich vor, welche Zwiesprache dieser erhabene, voll bewusste Sohn Gottes während dieser Nächte, in denen er wachte und in Kontemplation versank, gehalten haben mag. Er vermochte sich auf jene hohe Bewusstseinsebene zurückzuziehen, von der er herabgestiegen war, um seine Botschaft zu verkünden, die die Welt verändern sollte. Wenn er sich auf das Reich seines Vaters einstimmte, begrüßten ihn die riesigen Scharen, die ebenfalls der Welt dienten, indem sie mit Christus zusammenarbeiteten, um diese transzendente Woge der Erleuchtung und des Wachstums hervorzubringen, die Jesus übermittelte. Während solcher Nachtwachen hielt er oft Zwiesprache mit jenen, die auf den inneren Ebenen zu seiner geistigen Familie gehörten. Am Morgen kehrte er erfrischt zurück und blickte auf die Menge, die auf seine Botschaft wartete. Es war der Brauch, das ein jüdischer Lehrer im Sitzen sprach, weshalb er sich oft auf einem Felsen niederließ. Die Jünger versammelten sich stets an seiner Seite. Die Apostel saßen in der ersten Reihe vor ihm, um nicht ein einziges seiner kostbaren Worte zu verlieren. Hinter ihnen verteilten sich die übrigen Zuhörer. Es ist bekannt, dass der Christus zwei Arten von Botschaften verkündete, die eine für die Jünger und Apostel und die andere für das Volk.

 

Im Neuen Testament finden sich Hinweise auf die Tiefe seiner Lehren.

Er sprach von bewusster Unsterblichkeit und von der Zwiesprache mit Geistern, die längst ihren physischen Körper abgelegt hatten. Eines Tages fanden ihn die Jünger, als er sich mit Moses und Elias unterhielt. Er lehrte sie auch die Reinkarnation, die in seinen Tagen zum allgemeinen Glauben gehörte. Zu denen, die ihm am nächsten standen, sprach er von den bevorstehenden fünf großen Einweihungen, beginnend mit der Ersten, die er als Wiedergeburt bezeichnete. Er gab ihnen einen klaren Einblick in die inneren Lehren, welche die esoterische Tradition des Christentums seit seinem Erscheinen auf der Erde belebten.

 

Dem Volk gegenüber äußerte er sich sehr verhalten. Es war ihm bekannt, dass sich immer Spione der Pharisäer des Sanhedrin unter seine Zuhörer mischten und darauf achteten, ob irgendetwas in seinen Worten Anstoß erregen konnte, um ihnen einen Grund zu geben, ihn als Unruhestifter zu bezichtigen. Aus diesem Grund erklärte er unmissverständlich: „Glaubt nicht, ich sei gekommen, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen. Ich bin nicht gekommen, um aufzulösen, sondern um zu erfüllen.“ Christus bemühte sich fortwährend, jeden zu lehren, sich zu verbessern, zu verwandeln, zu erneuern und zu beherrschen. Er schöpfte aus der uralten Weisheit, die ihn in der Vergangenheit lange genährt hatte. Er sprach wie jede große Meisterseele, dass die Evolution immer in unserem Sinne arbeitet, uns verwandelt und vergeistigt, indem sie uns die vielfältigen Möglichkeiten der Erfahrung bietet. Entweder wir beachten sie oder wir treten ihnen gleichgültig gegenüber.

 

Sein Meisterwerk waren die Seligpreisungen, die man häufig als die schönsten Worte der Welt bezeichnet.