Auf den Pfaden des GEISTES
Schamanen
Initiation und Unterweisung
Für einen zukünftigen Schamanen muss der anfänglichen Annäherung an die Geister eine Periode der Unterweisung folgen. Die Krankheit hat die Bedeutung des Lernens und Verstehens, der zukünftige Schamane wird seinen Hilfsgeistern vorgestellt, durch das Reich der Geister geführt, vor möglichen Feinden gewarnt und lernt die wahre Natur von Krankheit und Unglück zu bekämpfen.
Besonders in Sibirien und der Mongolei hat der erste Kontakt mit den Geistern die Form eines gewalttätigen Angriffs, was zur vollständigen Zerstörung der Persönlichkeit des zukünftigen Schamanen zu führen scheint. Darauf folgt die Wiederherstellung des Schamanen, dessen neue Kräfte nicht einfach äußere Beigaben oder Werkzeuge sind, sondern gleichbedeutend mit einer Einsicht in die Natur der Welt und die Formen menschlichen Leidens.
Die Verinnerlichung all dieser Erfahrungen führt zur Entwicklung einer neuen Persönlichkeit, und darin liegt die Bedeutung der Zerstörung der alten Natur des Schamanen. Die psychische Erfahrung des Kandidaten wird durch die Demolierung des Körpers ausgedrückt.
Er oder sie kann sich selbst als Skelett sehen, ein in Asien und Amerika weitverbreitetes Thema. In Sibirien wird jeder Knochen und jeder Muskel entfernt, gezählt und anschließend wieder zusammengesetzt.
Initiation ist nicht immer mit Gewalt verbunden. Bei dem nordamerikanischen Typ der Visionssuche, einem wichtigen Übergangsritus im Leben der Prärievölker, wird der Knabe in der Wildnis ausgesetzt, wo er fasten und beten muss, um einen Schutzgeist zu erhalten. Dieser Geist, häufig ein Tier, stattet den Knaben mit seinen eigenen Charakteristika aus, sagt ihm, was er in seinen Medizinbeutel tun soll, lehrt ihn Medizinlieder, die ihm erlauben, den Geist herbeizurufen, um ihn bei Gefahren zu beschützen.
Die Initiation eines Schamanen kann auch einen Prozess darstellen, der das ganze Leben anhält. Andere Kandidaten schaffen es gar nicht.
Das Todesthema bei der Initiation des Schamanen wird ergänzt durch das der Wiedergeburt. Die Reise des Schamanen durch den Kosmos ist manchmal ausdrücklich verbunden mit der Rückkehr in die Gebärmutter. Der sibirische Schamane wird gesäugt von einer Geister-Mutter und manchmal von den Geistern in einer eisernen Wiege auf einem Ast des Weltenbaumes gewiegt.
Die höchste Einweihung die ein Schamane erhalten kann, höher noch als die Sonneneinweihung, ist eine Blitz-Einweihung. Bei den Andenvölkern und anderen indigenen Kulturen geht der Schamane, wenn er fast auf dem Gipfel seiner Fähigkeiten angekommen ist, in die Berge und bittet darum, vom Blitz getroffen zu werden, um dabei entweder zu sterben oder erleuchtet zu werden. Das Risiko ist sehr groß. (Jonette Crowley)