Gesinnung und Tat

aus: Pinchas Lapide "Bergpredigt - Utopie oder Programm?"

+ persönliche Ergänzungen

 

„Hier, wo der Dekalog in der Wüste unter primitiven Nomaden und entlaufenen Sklaven mit seinem moralischen Höhepunkt aus Israels Frühzeit endet – dort führt die Berglehre weiter, indem sie, im Rahmen einer als aufwärts führend verstandenen Pädagogik Gottes, den Unterschied zwischen der bösen Gesinnung und der aus ihr entspringenden Missetat so gut wie aufzuheben bestrebt ist.

 

 

 

Nicht nur Mord, sondern auch der Zorn ist verwerflich; …; nicht nur Friedfertigkeit sondern Demut und Rechtsverzicht sind Bausteine zum Shalom der Zukunft.“

 

 

 

So wie es nach der Vorstellung von Gen. 28,12 >>Da hatte er einen Traum: Er sah eine Treppe, die auf der Erde stand und bis zum Himmel reichte. Auf ihr stiegen Engel Gottes auf und nieder.<< eine Himmelsleiter gibt, die den Weg des >>Aufstiegs<< symbolisiert, gibt es gemäß den Gesetzen der Dualität der dreidimensionalen Welt, auch einen „Weg zur Sünde, der einer Stufenleiter gleicht, die in einer alten Deutung von Gen. 6,5 folgendermaßen beschrieben wird: >>Sündhafte Vorstellung bringt zur Begierde, die Begierde zur Sinneslust; die Sinneslust zum Nachjagen; das Nachjagen zur Tat. Dies um kundzutun, wie schwer des Menschen Rückkehr von einem zum anderen ist.<<

 

 

 

Wenn also die Begierde >>der Anfang der Sünde ist>>, wie es in der Mose-Apokalypse (§19) heißt, >>dann wird die Begierde schwanger und gebiert die Sünde>>, wie es im Jakobusbrief (1,15) heißt: >>die Sünde aber gebiert den Tod.>>  

 

 

 

Von dieser realistischen Erkenntnis führt ein kurzer Schritt zur Schlussfolgerung:

 

>>Währet den Anfängen<<, was im Grunde das Leitmotiv der jesuanischen >>Superthesen<< ist.

 

 

 

Das hebräische Wort >>Begierde<< kann aber auch mit >>Neid<< übersetzt werden, wobei das dem deutschen >>Neid<< zu Grunde liegende Urwort >>nit<< die Bedeutung von >>befeinden, niederkriegen, heruntermachen<< hat. Solcher Neid, der so alt ist wie Kains Grimm gegen seinen bevorzugten Bruder Abel, führt zur Missgunst, zur Eifersucht und zum Zank, um letztlich das menschliche Zusammenleben von Grund auf zu zerstören.

 

 

 

Diese potentielle Sünde >>lauert vor der Türe und giert nach dir<< (Gen. 4,7), wie Gott den Kain warnt: >>Du aber werde Herr über sie.<<

 

Dieses <<Herr-Werden<< über die sündige Gier im eigenen Herzen ist das, was die Ethiker >>das heilige Nein<< nennen: der Adel des Nein-Sagen-Könnens zu allen Verführungen, die dem Ethos zuwiderlaufen.

 

 

 

Er will teuer erkauft werden, durch Opfer, die Jesus bildlich mit dem >>Ausreißen des Auges<< und dem >>Abhauen der Hand<< umschreibt …

 

Denn billiger ist diese Einladung ins Reich Gottes eben nicht wahrzunehmen.

 

 

Im Grunde geht es um eine neue Form von Gemeinschaft, die ganz konkret bereit ist, hasslos und zornfrei in einer Brüderlichkeit zu leben, die alles bloße Recht bei weitem übersteigt. Ihr zuliebe will Jesus auf alle Familienbande verzichten, denn >>Wer den Willen Gottes tut, der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter<< (Mk 3,35).“